Vatikan: rechtsfreie Zone für Drogenhändler

Eine besonders auffällige Diskrepanz zwischen Intention und Praxis im Rechtswesen weist der kleine, rührige Vatikanstaat mitten in Italiens Hauptstadt Rom auf. Theoretisch ist man dort strikt gegen jede Form von Drogenkonsum, sogenannte weiche Drogen eingeschlossen. Eine Lösung des Drogenproblems durch Entkriminalisierung und die Legalisierung von Haschisch oder Marihuana werden kompromisslos abgelehnt. Bestärkt wurde diese Sichtweise von Papst Franziskus während seines Brasilienbesuchs im Juli 2013. Tatsächlich aber gibt es im Vatikan kein Gesetz, dass den Konsum von oder den Handel mit Drogen verbietet. Dies fiel dem Staatsanwalt des Vatikans, Nicola Picardi, 2007 auf, als ein Angestellter des Vatikans mit 87 Gramm Kokain entdeckt wurde. Der Täter wurde aufgrund einer gut hundert Jahre alten Regelung bezüglich "unklarer Umstände" nach Italien ausgeliefert, wo er zu der für solche unklaren Umständen vorgesehenen Höchststrafe von sechs Monaten Haft verurteilt wurde; wäre nach den strengen italienischen Drogengesetzen geurteilt worden, wäre die Strafe mit Sicherheit weitaus härter ausgefallen. Die Mindestmenge, deren Besitz überschritten werden muss, um ein Strafmaß von sechs bis zwanzig Jahren zu rechtfertigen, beträgt im Fall von Kokain 75 Milligramm. Picardi versprach
eine rechtliche Modernisierung und eine Steigerung der polizeilichen Zusammenarbeit des Vatikans mit Europa; öffentlich bekannt sind noch keine neuen Regelungen. 2012 wurde im jährlichen Bericht des US-Außenministeriums zum Kampf gegen die Drogenkriminalität kritisiert, dass der Vatikan sich an internationalen Abkommen wie der Palermo-Konvention und den UN-Konventionen gegen Korruption und Drogenhandel nicht oder nur mit Einschränkungen beteilige. Gleichzeitig bekam der Vatikan einen Platz auf der Liste der der Geldwäsche verdächtigen Staaten. Auch der zuständige Ausschuss des Europarates, Moneyval, der 2012 unter anderem die Vatikanbank IOR überprüft hatte, stellte trotz Fortschritte im Vergleich zu vergangenen Jahren weiterhin schwere Mängel bei den Kontrollmechanismen fest. Anfang 2013 verweigerte die italienische Zentralbank dem Vatikan die Lizenz für Kreditkarten-Zahlungen; Souvenirs konnten am Petersdom nur noch mit Bargeld erworben werden. Gerüchten zufolge handelte es sich um eine Maßnahme gegen das Fehlen einer Bankenregulierung und einer ordentlichen Aufsicht seitens des Kleinstaates. Im Juni 2013 wurde der vatikanische Rechnungsprüfer Monsignor Nunzio Scarano bei dem Versuch, unter Mithilfe eines ehemaligen italienischen Geheimdienstmitarbeiters 20 Millionen Euro Schwarzgeld über Italien in die Schweiz zu schaffen, verhaftet. Daraufhin traten im Juli der Generaldirektor der IOR, Paolo Cipriani, und sein Stellvertreter Massimo Tulli zurück. 2010 hatte der damalige Papst Benedikt XVI. die Vatikanische Finanzinformationsbehörde AIF eigens zum Zweck einer besseren Verhütung und Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung ins Leben gerufen. Deren gegenwärtiger Direktor, der Schweizer René Brülhart, versprach, dass derzeit Überprüfungen stattfänden, deren Resultate in den nächsten Monaten bekanntgegeben würden.

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